Bei dem Projekt TANNE handelt es sich um ein vom Innovationsfond des Gemeinsamen Bundes Ausschusses (GBA) gefördertes Projekt in dem Themenfeld: „Telemedizinische Kooperationsnetzwerke von stationären und ambulanten Einrichtungen zur Verbesserung der medizinischen Versorgung.“
Es soll eine fachgerechte Versorgung von Patienten mit neurologischen Erkrankungen oder neurologischen Symptomen in der palliativen Phase zu Hause oder im Hospiz gewährleistet werden.
Das Projekt beinhaltet eine telemedizinische Anbindung der Hospize und spezialisierten ambulanten Palliativversorgungs (SAPV) Teams in Bayern am neuropalliativen Telemedizinzentrum Agatharied zur Versorgung der Patienten.
Diese neue Versorgungsform soll multidimensional evaluiert werden. Es wird eine medizinische, ethisch, rechtliche und soziale, gesundheitsökonomische und technische Evaluation der im Rahmen einer 24 Monate dauernden Studie gewonnenen Daten und Erkenntnisse stattfinden.
Das Projekt setzt sich zusammen aus einer 6 monatigen Konzeptionsphase, einer 24 Monate dauern klinischen Studie und einer 8 monatigen Evaluationsphase. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat für dieses Projekt eine Gesamtsumme von 2,1 Millionen Euro zur Verfügung gestellt.
Hintergrund
Die Versorgung neurologischer Patienten ist in der Palliative Care immer noch zu wenig etabliert. Dies steht im Kontrast zu steigenden Zahlen von Menschen mit neurologischen Erkrankungen, die von einer palliativen Versorgung profitieren würden. Aber die Palliativmedizin befindet sich im Wandel und ein wesentlicher Aspekt ist, dass neben onkologischen Krankheitsbildern auch vermehrt andere Erkrankungen in die palliative Versorgung eingeschlossen werden.
Menschen mit einer fortgeschrittenen neurologischen Erkrankung gehören zu einer Zielgruppe, die besonders von einer allgemeinen palliativen Versorgung profitieren. Wir sehen bei nicht wenigen neurologischen Erkrankungen sogar den Bedarf für eine spezialisierte palliative Versorgung gegeben. Insbesondere PatientInnen mit neurodegenerativen Erkrankungen, aber auch viele andere neurologische Erkrankungen haben in fortgeschrittenen Stadien eine hohe und komplexe Symptomlast.
Die Palliative Care bei Menschen mit neurologischen Erkrankungen ist unglaublich vielfältig und erfordert erfahrungsgemäß ein großes neurologisches Spezialwissen. Neurologische Beschwerden führen bei Betroffenen und Angehörigen zu vermehrter Symptomlast und Unsicherheit und trotz guter ambulanter Betreuung immer wieder zu Krankenhauseinweisungen.
Patienten mit neurologischen Symptomen oder Erkrankungen, die durch ein SAPV- Team oder in einem Hospiz betreut werden, erhalten in diesem Projekt Zugang zu einer fachneurologischen sowie neuropalliativen Versorgung und Beratung. Das Ziel ist es, die Betreuung von komplexen neurologischen Problemen bei Palliativpatienten zu verbessern.
Die neue Versorgungsform
SAPV-Teams und Hospize aus ganz Bayern werden an das Fachzentrum, die Neurologie des Krankenhauses Agatharied angeschlossen und mit speziell für die Gegebenheiten konzipierten mobilen Telesystemen (Tablet, mobiler WLAN-Router) ausgestattet. Diese erlauben sichere Punkt zu Punkt Videokonsile in Echtzeit zwischen dem Patienten zu Hause oder im Hospiz und dem Expertenzentrum (Agatharied). Bei Auftreten eines neurologischen Problems nimmt der betreuende Arzt des SAPV Teams oder des Hospizes mit der Studienzentrale Kontakt auf und bei Bedarf kann ein Videokonsil zwischen dem Patientenbett (zu Hause oder Hospiz) und der Neurologie Agatharied abgehalten (24/7).
Es werden regelmäßige Schulung des ärztlichen und pflegerischen Personals und Fortbildungsveranstaltungen in Form von web-basierten Seminaren und SOPs erarbeitet. Während des Projektes gewonnene Erkenntnisse werden laufend eingearbeitet. Dadurch soll die Grundlage für die Verbesserung der Gesamtbetreuung von Patienten mit neurologischen Erkrankungen geschaffen und die Qualität der medizinischen und pflegerischen Versorgung in der Palliative Care gesteigert werden.Durch das Telemedizinzentrum in Agatharied werden neben der Möglichkeit Telekonsile mit den Patienten abzuhalten auch strukturelle Arbeiten erbracht. Es sollen Standards in der Behandlung neurologischer Patienten in einer palliativen Phase erarbeitet werden und zur Verfügung gestellt werden. Regelmäßige Schulungen sollen die SAPV-Teams und Ärzte im Hospiz stärken. Öffentlichkeitsarbeit soll auf die Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit einer palliativen Versorgung neurologischer Patienten aufmerksam machen.
Ziel
Ziel ist es die ambulante und hospizliche Versorgung neurologischer Patienten in einer palliativen Phase zu verbessern in dem fachneurologische Expertise telemedizinisch zur Verfügung gestellt wird.
Im Rahmen der klinischen Studie sollen ausreichend Daten gesammelt werden, die die Wirksamkeit dieses Konzeptes nachweisen können, mit dem Ziel sie in die Regelversorgung überführen zu können.
Telemedizin erlaubt es Expertenwissen einem breiten Raum zugänglich zu machen. Wir sind in der Neurologie auf die bereits existierenden extrem guten Versorgungsstrukturen der SAPV-Versorgung und Hospize zur Betreuung unserer Patienten angewiesen, weil sie den wichtigen palliativen Teil, der eine multidisziplinäre, ganzheitliche Versorgung bedeutet, gewährleisten können. Auf diesem Weg können wir diese Einrichtungen bei der Betreuung neurologischer Patienten unterstützen und ihnen mögliche Hemmungen nehmen, neurologische Patienten zu betreuen.
Ein wichtiger Bestandteil der Palliative Care
Die Versorgung neurologischer Patienten ist in der Palliative Care immer noch wenig etabliert. Spezialisierte Palliativversorgung ist oft zurückhaltend Patienten mit neurologischen Erkrankungen aufzunehmen auf Grund des z.T. fehlenden neurologischen Wissens. Neurologen sehen oft nicht die Notwendigkeit einer Palliativversorgung für ihre Patienten und wissen zu wenig um die Vorteile dieser Form der Versorgung. Auch in der Bevölkerung ist es nicht hinlänglich bekannt, dass Palliative Care auch bei Nicht Tumor Patienten angewendet werden kann. Zudem kommt es häufig zu einer Verwechslung der Termini „End of life care“ mit „Palliative care“. Dies steht im Kontrast zu steigenden Zahlen von Menschen mit neurologischen Erkrankungen, die von einer palliativen Versorgung profitieren würden.
Aber die Palliativmedizin befindet sich im Wandel und ein wesentlicher Aspekt ist, dass neben onkologischen Krankheitsbildern auch vermehrt andere Erkrankungen in die palliative Versorgung eingeschlossen werden.
Menschen mit einer fortgeschrittenen neurologischen Erkrankung gehören zu einer Zielgruppe, die besonders von einer allgemeinen palliativen Versorgung profitieren. Wir sehen bei einigen neurologischen Erkrankungen sogar den Bedarf für eine spezialisierte palliative Versorgung gegeben.
Die Endphase neurologischer Erkrankungen ist häufig durch Unbeweglichkeit aufgrund von Spastik, Lähmungen oder Rigor gekennzeichnet sowie durch das Unvermögen der betroffenen Patienten sich sprachlich auszudrücken, sei es aufgrund einer Aphasie oder – was wesentlich häufiger vorkommt – aufgrund einer Anarthrie, also der Unfähigkeit zu sprechen. Dadurch wird auch die Pflege erschwert, denn abgesehen von den Schwierigkeiten, die die Pflege von unbeweglichen Patienten mit sich bringt, kann man oft den detaillierten Willen des Patienten nicht erfahren. Wir haben häufig erlebt, dass die Angehörigen in dieser Phase mit dem Patienten am besten kommunizieren können, da sie auf die Bedürfnisse am besten eingespielt sind.
Jede Krankenhausverlegung bedeutet daher auch deswegen eine große Belastung, da man dort nicht die Erfahrung der individuellen Kommunikationsmöglichkeiten hat. Zudem ist der Pflegeaufwand derart, dass in vielen Krankenhäusern das Personal überlastet wäre. In vielen Kliniken fehlt schlichtweg die Expertise der Symptombehandlung in der Endphase einer neurologischen Erkrankung, so dass der Krankenhausaufenthalt für alle Beteiligten als nicht zielführend erlebt wird. Daher werden viele Patienten mit neurologischen Erkrankungen zu Hause oder in Pflegeheimen versorgt, ohne dass fachspezifische Hilfe zu Verfügung steht. Dies betrifft nicht nur Patienten mit amyotropher Lateralsklerose, sondern auch Patienten mit einem M. Parkinson, mit atypischen Parkinsonsyndromen wie der PSP, der corticobasalen Degeneration und der Multiplen Systematrophie, sowie Patienten mit Multipler Sklerose und insbesondere Patienten mit den verschiedenen Formen der Demenz. Aber auch Patienten mit neurodegenerativen Erkrankungen, die im Kindes- oder Jugendalter beginnen, erreichen heute durch verbesserte therapeutische Möglichkeiten oft das Erwachsenenalter (z. B. Duchenne Muskelatrophie). Auch Patienten mit traumatischen Hirnschädigungen oder angeborenen Hirnschädigungen werden heutzutage oft in häuslicher Pflege von den Familienangehörigen versorgt. Auch diese Patienten erreichen einen Zustand, in dem palliative Versorgung notwendig ist und vorzugsweise zu Hause angeboten werden sollte.